SOZIALUNTERNEHMEN MIT VERTRAUENSKULTUR

Eine Methode alleine verändert noch keine Kulturmuster.

Chancengleichheit und Empowerment stehen im Zentrum der Arbeit von Jugend am Werk. Wie kann ein Sozialunternehmen auch innerhalb der Organisation eine tragfähige Vertrauenskultur etablieren? Ein Gespräch über Visionsarbeit, Musterbrüche und nötige Konfrontationen am Weg zu einem neuen Selbstverständnis.

Was sind die Kernanliegen eurer Arbeit?

Die Jugend am Werk Steiermark GmbH (kurz: JAW) zählt zu den führenden Anbietern sozialer Dienstleistungen in der Steiermark. Die Angebote richten sich an Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Unterstützungsbedarf in beruflichen, sozialen und persönlichen Lebensfragen. Als gemeinnütziges Unternehmen verfolgt die Organisation keine Gewinnabsichten:

Der Erfolg soll daran gemessen werden, wie zufrieden diejenigen sind, die unsere Angebote in Anspruch nehmen und inwieweit deren Lebensrealitäten im Sinne von Chancengleichheit verbessert werden.

Wir arbeiten mit Steuergeldern. Daher ist es unsere Verpflichtung, dass das Geld, das über unsere AuftraggeberInnen zu uns kommt, bestmöglich eingesetzt wird. Konkret heißt das: Die angebotenen Leistungen sollten möglichst passgenau sein und an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden können – und unsere KundInnen werden mit Respekt behandelt und in ihrer Eigenverantwortung gestärkt und „empowered“, wo immer möglich. Das heißt aber auch, zu versuchen, die dafür nötigen Rahmenbedingungen bei den AuftraggeberInnen durchzusetzen. Und natürlich braucht es dafür auch optimale Arbeitsverhältnisse für unsere MitarbeiterInnen. 

Wir sind ein sozialer Dienstleister, der hart an der Weiterentwicklung der Dienstleistungen und der Organisation arbeitet: Die Organisation ist groß, aber schnell und flexibel. Unsere PartnerInnen können sich darauf verlassen, dass wir unser Bestes geben, um ein fairer Partner zu sein.

Walerich Berger, Geschäftsführer der Jugend am Werk Steiermark GmbH
  • Name: Walerich Berger
  • Rolle: Geschäftsführer der Jugend am Werk Steiermark GmbH (seit 2009)
  • Besonders wichtig ist mir: Das gemeinsame Ringen um Lösungen, Debatte, Zukunftsorientierung und nicht das Verharren im „Das geht nicht“ – und den Blick auf Lösungen richten: Wie können wir das, was wir haben, gut einsetzen?

Was war das Anliegen des Veränderungsprozesses – in einem Satz? 

Aus vielen einzelnen “Gallischen Dörfern”, also verschiedenen Standorten, eine gemeinsame Organisation formen. Hinschauen, wo Routinen laufen und bewusst entscheiden: Was davon wollen wir hinter uns lassen? Wo sind wir in Mustern verhaftet, die wir überwinden sollten?

Welche Rolle hat dwarfs and Giants in der Transformation eingenommen?

Die Hauptaufgabe war sicher, uns darauf aufmerksam zu machen, wo Musterbrüche notwendig waren. Das war nicht immer angenehm, aber immer sehr hilfreich. Wir wollen die Qualitäten von dwarfs and Giants, die wir schon in anderen Kontexten kennengelernt hatten, nutzen. dwarfs and Giants ist ein ernsthafter Partner, der gewillt ist, mit uns in Konfrontation zu treten, wo es notwendig ist, damit wir unsere Ziele erreichen. Darauf haben wir stark vertraut. 

Was waren die Phasen des bisherigen Transformationsreise?

Als wir angefangen haben, waren wir eine Ansammlung von Gallischen Dörfern mit enormer Misstrauenskultur. Entscheidend war hier, den Shift zur Vertrauenskultur zu schaffen. Wir haben zunächst an Zentralisierung und Ausrichtung gearbeitet. Unsere Devise war: Wir sind gemeinsam auf der Autobahn unterwegs. Es ist okay, schneller zu fahren oder langsam oder auch mal stehen zu bleiben, aber wir bewegen uns innerhalb der Leitplanken. 

In einer zweiten Phase haben wir dann angefangen zu dezentralisieren: Macht, Entscheidungsbefugnisse und Ressourcen verteilten wir konsequent an die einzelnen Standorte. In der Unternehmensleitung geben wir jetzt nur den groben Rahmen vor. Die einzige Regel ist: „Geisterfahren gilt nicht.“

Hier haben wir auch die Vision als gemeinsamen Bezugspunkt etabliert: Mit der Vision arbeiten wir heute ständig. Wir haben zusätzlich ein Leitbild gemeinsam formuliert – und zwar in einem partizipativen Prozess: Ein gemeinsames Verständnis davon, wohin wir wollen. Das hilft uns jetzt, auch Freiheiten zu leben.

Eine zentrale Frage auf dem Weg war: „Wie können wir eine lernende Organisation sein?“ Konkrete Fragestellungen waren:

  • Wie leben wir Feedback?
  • Wie gestalten wir die Zusammenarbeit zwischen Gesamtleitung des Unternehmens und den einzelnen Standorten?
  • Welche Muster können wir wo brechen, damit wir erfolgreich sind?

Wir haben auch stark an unserer Vertrauenskultur gearbeitet. In der direkten Zusammenarbeit mit den Standorten heißt das für uns ganz konkret, diese Stehsätze mit Leben zu füllen:

1 Tut einfach!

Wir reißen euch nicht den Kopf ab, wenn etwas schief geht.

2 Es gibt viel, was wir nicht wissen.
3 Berichtet uns, was ihr gelernt habt!

In der Unternehmensleitung haben wir ganz konkrete Dinge getan, zum Beispiel eigene Fehler zugeben und teilen, damit andere davon lernen. Auch wurde der Dialog in allen Einrichtungen geführt: Was läuft gut, was müssen wir verbessern? Insgesamt viel in der Kommunikation sein, schnell in der Kommunikation sein, wenn es Bedarf gibt. Klar zugeben, was wir nicht wissen. Damit sind wir auch gut durch die Pandemie gekommen.

Was war das größte Highlight für dich?

Zum Thema Feedback haben wir mit Clear the Air gearbeitet. Dabei haben wir gelernt, welche Konfliktkultur aus diesem Ansatz entsteht und wo wir andere Veränderungen im Unternehmen brauchen. Eine Methode alleine verändert noch keine Kulturmuster.

Eine Methode alleine verändert noch keine Kulturmuster.

Was war richtig anstrengend zwischendurch und wie habt ihr die Situation gemeistert?

Anstrengend ist unser Anspruch an uns selbst, und damit taucht auch immer wieder die Frage auf: Wie viel Verantwortung kann bei einer einzelnen Person liegen?

Uns ist es auch oft schwer gefallen, Klarheit in Prozesse zu bringen. Bei wem liegen Verantwortlichkeiten, wie gestalten sich die Beziehungen zwischen KundInnen und LieferantInnen? Gut geholfen hat uns dabei immer die Frage: Was wollen wir mit dem Prozess eigentlich erreichen? Der Tanz zwischen Zuschreibungen und Aha-Erlebnissen im Ringen um Klarheit war oft richtig zäh, aber inzwischen wissen wir, dass dieses Ringen dazugehört.

Wir hatten beispielsweise ein echtes Problem mit der Fluktuation von MitarbeiterInnen. Das ist jetzt ganz anders: Wir halten MitarbeiterInnen und haben im aktuell recht großen Fachkräftemangel vergleichsweise wenig Schwierigkeiten, gute MitarbeiterInnen zu finden. Es ist bekannt, dass wir unseren Teams gute Rahmenbedingungen bieten. Dazu zählen vor allem Beteiligung, Entwicklungschancen und das ernst gemeinte Commitment, gemeinsam gute Arbeit zu leisten.

Was würdest du einer Organisation raten, die sich auf eine solche Reise begibt?

Sucht euch gute Begleitung! Ohne den externen Blick und die fachliche Expertise wäre unsere Reise nicht möglich gewesen. Und zwar eine Begleitung, die euch konsequent den Spiegel vorhält und auch Unangenehmes anspricht und nicht einfach nur Dienstleister ist.

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